Wohnungsnachfrage schafft Dynamik

«Wer sind meine künftigen Mieter und Käufer?» – Ein Vergleich von aktueller Bevölkerungs-Zusammensetzung und Wohnungsnachfrage zeigt, mit welcher Dynamik und in welche Richtung sich verschiedene Standorte bewegen. Das ist für die Immobilienentwicklung von entscheidender Bedeutung.

Sozio-Dynamik

An kaum einem anderen Ort lässt sich die unterschiedliche Dynamik der Bevölkerungszusammensetzung so augenscheinlich erkennen wie in den Vorortsgemeinden und Agglomerationen der grössten Schweizer Städte. Nehmen wir als Beispiel die Zürcher Vorortsgemeinde Schlieren und messen deren Sozio-­Dynamik mit den Sinus­-Milieus. Wie bereits in der Immobilia-Ausgabe vom Dezember 2020 («Wer sind die Wohnungsnachfrager?») geschildert, hat das Modell der Sinus­-Milieus zum Ziel, Menschen mit ähnlichen Lebensauffassungen und ­weisen sowie einer ähnlichen sozialen Lage in Gruppen zusammenzufassen. Für die Schweiz identifiziert das Modell zehn Gruppen bzw. Milieus mit ähnlichen Befindlichkeiten, sowohl was ihre Werte und Einstellungen als auch ihre soziale Lage betrifft. Das Wissen um diese Milieus ist für die Immobilienbranche deshalb interessant, weil die verschiedenen Gruppen unterschiedliche Bedürfnisse haben, auch was das Wohnen betrifft.

Daten zu den Sinus­-Milieus der Bewohner einer bestimmten Gemeinde (oder eines Quartiers oder Strassenzugs) lassen sich beispielsweise bei Acasa (Sinus­-Milieus in der Microgeographie) oder Wüest Partner (Geo­-Milieus im Bestand) finden. Allerdings reicht die Analyse der Zugehörigkeit der ansässigen Bevölkerung zu den verschiedenen Milieus beispielsweise für die Entwicklung eines neuen Immobilienprojekts nicht notwendigerweise aus, denn die Milieus der Haushalte, die gegenwärtig auf Wohnungssuche in einer Gemeinde sind, müssen nicht unbedingt deckungsgleich mit jenen der ansässigen Bevölkerung sein.

Die Sozio­-Dynamik in Schlieren, einer traditionell städtischen Arbeitsplatzgemeinde im Westen von Zürich mit knapp 20 000 Einwohnern, zeigt dies eindrücklich. Die Analyse der Sinus­-Milieus der Schlieremer Bevölkerung zeigt eine Verteilung, die mit Ausnahme der Postmateriellen (Untervertretung) und der Bürgerlichen Mitte (Übervertretung) mehr oder weniger dem Schweizer Durchschnitt entspricht.

Vergleicht man diese Verteilung nun mit den Milieus jener Haushalte, die gegenwärtig in Schlieren eine Wohnung suchen, lassen sich teilweise deutliche Unterschiede feststellen. Zusammengefasst können die Abweichungen wie folgt charakterisiert werden: Die potenziellen Neuzuzüger in Schlieren verfügen typischerweise über eine höhere Ausbildung und ein höheres Einkommen als die ansässige Bevölkerung. Es ist zwar nicht so, dass die Milieus der Oberschicht und der oberen Mittelschicht überdurchschnittlich bei den suchenden Haushalten vertreten wären, aber bei drei der vier Mittelschicht-Milieus überwiegen die Anteile bei der Nachfrage die Anteile im Bestand, während die Milieus der unteren Mittelschicht und der Unterschicht bei den potenziellen Neuzuzügern klar untervertreten sind.

Status quo

Ein völlig anderes Bild zeigt sich in einer südlicheren Vorortsgemeinde von Zürich. Uitikon ist mit knapp 5000 Bewohnern vier Mal kleiner als Schlieren und unterscheidet sich, was die Milieus der ansässigen Bevölkerung betrifft, deutlich vom schweizerischen Durschnitt. Während die Milieus der Oberschicht und der oberen Mittelschicht in Uitikon klar übervertreten sind (Ausnahme: Postmaterielle), sind alle anderen Milieus untervertreten (Ausnahme: Bürgerliche Mitte). Analysiert man nun die Milieus der potenziellen neuen Bewohner anhand der Nachfrage nach Wohnraum in Uitikon, zeigt sich ein praktisch identisches Bild wie im Bestand. Bis auf gewisse Unterschiede bei den Postmateriellen und den Performern gleichen sich die Verteilungen der Milieus der ansässigen Bevölkerung und der Nachfrager aufs Haar. Sofern nicht einzelne Milieus sehr viel erfolgreicher bei der Wohnungssuche sind als andere, wird sich an der Milieustruktur von Uitikon durch die künftigen Zuzüger also kaum etwas verändern.

Fazit

Verschiedene Standorte können eine unterschiedliche Sozio-­Dynamik aufweisen. Gerade deshalb ist es wichtig, die Milieus der Nachfrager zu kennen, denn diese können sich, wie das Beispiel Schlieren zeigt, deutlich von den Milieus der ansässigen Bevölkerung unterscheiden. Die potenziellen Neuzuzüger haben mitunter ganz andere Bedürfnisse, was das Wohnen betrifft als die Alteingesessenen, und stellen andere Anforderungen an ihr neues Zuhause.

Auch wenn die Sinus­-Milieus für die Schweiz bereits 2002 entwickelt worden sind und seither mehrfach an die soziokulturellen Veränderungen der Gesellschaft angepasst wurden (das letzte Mal 2021), beginnen sie in der Schweizer Immobilienwirtschaft erst gerade richtig Fuss zu fassen. Die zunehmende Verbreitung hat auch damit zu tun, dass sich der SVIT vor nicht allzu langer Zeit entschieden hat, die von Acasa entwickelten Wohn­- und Lebenswelten (www.wohnlebenswelten.ch) aktiv zu bewerben, und mit dem «Milieu Analyzer» selbst verschiedene Analyse­-Tools bereitstellt (https://www.svit.ch/de/milieus-analyzer#/milieu). Für Entwickler und Investoren, aber auch für Vermarkter bieten sich heute mit den verschiedenen Analyseinstrumenten ganz neue Möglichkeiten, ihre Zielgruppen im Detail zu analysieren und Immobilienprojekte oder Vermarktungsstrategien entsprechend auszurichten.

Entdecken Sie unsere Online-Dienstleistungen

Finden Sie heraus, wie Ihnen die Nachfragedaten von Realmatch360 weiterhelfen können und wie einfach die Bedienung unserer Online-Tools ist.