Unterschiedliche Bevölkerungsgruppen haben unterschiedliche Wohnbedürfnisse. Für Planer und Entwickler von Wohnimmobilien ist es deshalb von Vorteil, Veränderungen der Bevölkerungsstruktur vorauszusehen.
Beispiel Zug
Die politische Gemeinde Zug, gegründet um das Jahr 1200, wird Ende des 13. Jahrhunderts als «völlig verarmt» bezeichnet (vgl. Historisches Lexikon der Schweiz). Heute ist Zug Hauptort jenes Schweizer Kantons, über den die NZZ vor gut einem Jahr einen Beitrag mit «Reich, reicher, Zug» getitelt hat. Die Stadt Zug zählt rund 32 000 Einwohner, von denen gemäss den Sinus-Milieus (vgl. https://sinus-milieus.ch) mehr als ein Drittel der Oberschicht zuzurechnen ist. Weitere rund 30% der Wohnbevölkerung gehören zu den beiden Mittelschicht-Milieus «Gehoben-Bürgerliche» sowie «Bürgerliche Mitte». Übervertreten in der Stadtzuger Bevölkerung sind auch die sogenannten «Digitalen Kosmopoliten», während die Milieus der Unterschicht klar unterrepräsentiert sind (vgl. Abbildung 1).
Trend verstärkt sich
Betrachtet man nun, wie sich die Wohnungsnachfrager auf die Sinus-Milieus verteilen (Grundlagenartikel: «Wer sind die Wohnungsnachfrager?»), wird klar, dass in Zug die Trends der vergangenen Jahre Bestand haben dürften. Die Milieus der Oberschicht sind bei den Wohnungssuchenden nämlich weit überdurchschnittlich vertreten, die Mittelschicht- und insbesondere die Unterschicht-Milieus dagegen unterdurchschnittlich. Einzige Ausnahme: die in Zug ohnehin schon überdurchschnittlich vertretenen «Digitalen Kosmopoliten». Sollten die Wohnungssuchenden also alle eine Wohnung finden – oder zumindest im selben Verhältnis, wie sie suchen –, wird sich die Bevölkerungsstruktur der Stadt Zug weiter Richtung Oberschicht verschieben.
Stadndortförderer Zürich?
Der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler hat sich jüngst in einem Interview zur Zukunft des nationalen Finanzausgleichs (NFA) dahingehend geäussert, dass die links regierten Zürcher Städte an dieser Entwicklung nicht ganz unbeteiligt seien: «Dazu kommt, dass der Kanton Zürich von links regierten Städten dominiert wird, die Leistungsträger eher vergraulen als anziehen. Sie sind damit nicht unwesentliche Standortförderer von Zug.» (NZZ vom 20. Juni 2023).
Eine Analyse der Milieudynamik in der Stadt Zürich scheint diese Aussage auf den ersten Blick nicht zu stützen (vgl. Abbildung 2). So sind die Oberschicht-Milieus in der Limmatstadt bei der aktuellen Wohnbevölkerung und bei den Wohnungssuchenden in etwa gleich übervertreten. Gleichen sich die Milieu-Anteile bei den Wohnungssuchenden und jenen, die tatsächlich eine Wohnung finden, wird die Stadt Zürich keine Oberschicht-Milieus verlieren. Sie wird dagegen, ähnlich wie die Stadt Zug, zukünftig weniger Unterschicht-Milieus beherbergen. Anders als in Zug sind es in Zürich aber nicht die Milieus der Oberschicht, die besonders stark zulegen werden, sondern jene der Mittelschicht.
Analogien in Genf
Wird die Unterschicht in den Grossstädten also von der Mittelschicht verdrängt? Ein Blick nach Genf zeigt zumindest ein ähnliches Bild wie in Zürich, sogar noch ausgeprägter. Auch in Genf sind die Oberschicht-Milieus in der Wohnbevölkerung und bei den Wohnungssuchenden etwa im gleichen Verhältnis vertreten. Dagegen suchen – relativ – weit mehr Mittelschicht-Haushalte eine neue Bleibe in der Stadt Genf, als ihr Anteil an der ansässigen Bevölkerung heute ausmacht. Bei den Haushalten der Unterschicht verhält es sich dagegen genau umgekehrt.
Bedeutung der Milieudynamik
Warum ist das wichtig? Für die Immobilienbranche sind solche Analysen erst einmal relevant, weil es angesichts der fortschreitenden Veränderungen der Bevölkerungsstrukturen nicht ausreicht, zu wissen, welche Milieus mit welchen Wohnbedürfnissen heute in einer bestimmten Gemeinde oder einem bestimmten Stadtquartier wohnen. Sondern auch, weil es mindestens ebenso wichtig ist, sich darüber im Klaren zu sein, zu welchen Zielgruppen einer Immobilienentwicklung denn die zukünftigen Bewohner einer Gemeinde oder eines Stadtquartiers gehören. Die Sichtbarmachung dieser «Milieudynamik» kann auch den Vermarktern und Bewirtschaftern helfen, ihre Massnahmen bei bestehenden Bauten auf die Bedürfnisse bestimmter Zielgruppen auszurichten. Um die Akteure im Immobilienmarkt bei ihrer Arbeit zu unterstützen, gibt es bei Realmatch360 in Kürze das neue Analyse-Tool «Milieudynamik», in dem die Nachfrage- und Einwohner-Milieus für jede Gemeinde der Schweiz ausgewiesen und miteinander verglichen werden.